Zeitzeugenbericht Herrn Leutnant der Reserve Graumann

Manchmal bringt die Geschichte uns Orte, da staunt selbst der Zyniker, das Entsetzen wird geweckt.

Ein Bericht aus der Regimentsgeschichte meines Urgroßvaters, datiert auf den 23.07.1916, Ort: Verdun

Es berichtet der Leutnant der Reserve Graumann:

„Beim Bataillonsstab sollte uns ein Führer in Empfang nehmen. Er blieb aus. So wurden wir in ein Nachbarwerk geschickt, um dort abzuwarten. Leider konnten wir in dem Werk den schusssicheren Keller nicht benutzen, weil er von Toten überfüllt war und weil die Luft dort unerträglich war. So lagerten wir zu ebener Erde in dem Hauptraum, der nach der Feindseite durch eine Schutzmauer gesichert schien.

Wir teilten in fürchterlicher Enge den Raum mit einer Anzahl von Verwundeten. Ein strahlender Sommertag brach an. Unsrem stieg eine Lerche jubilierend in die Luft. Bald aber teilte ihren luftigen Bereich ein französischer Flieger. Es war um die Mittagszeit. Bald sollte uns klar werden, daß er das feindliche Artilleriefeuer zu lenken hatte. Granateinschläge kamen näher und näher. Schon setzte ein dicker Brummer auf die Außenwand.

Ein anderer schlug eine Bresche in die Vorderwand. Und dann – noch in der Erinnerung kann einen das Entsetzen packen – dann fegte eine Granate durch die Bresche und mitten hinein zwischen die Lagernden. Staub, Rauch, Eisensplitter erfüllten den Raum; entsetzliche Schmerzensschreie der zu Tode Getroffenen! Die Überlebenden wollten nun ins Freie, nicht noch einen Volltreffer im geschlossenen Raum abwarten. Es gelang, sie einstweilen nicht zurückzuhalten, wie schrecklich auch das Bild der Vernichtung war, das sich uns nach Abzug der Explosionsschwaden bot: An 15 Tote und schwer Verwundete hatte der Einschlag gekostet!

Ehe man sich daran konnte, den Verwundeten beizustehen, kam, grauenvoll zu erleben, ein zweiter Volltreffer mit gleicher, schrecklicher Wirkung. Nun war für die Meisten kein Halten mehr in dieser Hölle. – Offz. Stellv. Hidde mit Wenigen, die er um sich geschart hatte, blieb trotzdem im Werk zurück, und – das Glück war ihm günstig. Nach den schweren Verlusten, die bisher hier zu beklagen waren, hörte der Beschuß nunmehr auf.“

Mögen alle Kameraden in Frieden ruhen und man sich immer an sie erinnern.