Es gibt Zufälle, die lassen einen schmunzeln. Und manchmal sind es gerade die alten Mauern, die Geschichten erzählen – wenn man nur genau hinhört.

Neulich stieß ich eher beiläufig auf ein altes Foto aus der Hochstraße in Bad Kreuznach. Darauf ein stattliches, schmuckloses Bürgerhaus mit der Aufschrift: „Maler Müller-Haus“.

Ein Name, der mir vage bekannt vorkam – nicht aus dem Kunstunterricht, sondern aus der eigenen Geburtsurkunde. Hochstraße 4. Dort bin ich geboren.

Nun gut, dachte ich, es wird ja nicht der ein bekannter Maler Müller sein – wahrscheinlich irgendein regionaler Pinselschwinger, der mal eine Gartenlaube koloriert hat.

Aber die Neugier ließ mich nicht los. Und siehe da: Hinter dem Namen verbirgt sich niemand Geringeres als Friedrich Müller, geboren 1749 in eben jenem Haus. In der Kunst- und Literaturgeschichte besser bekannt als „Maler Müller“ – ein echter Vertreter des Sturm und Drang, Maler, Dichter, Kunstführer in Rom.

Ein Mann, der mit zwanzig bereits Radierungen schuf, in denen Hirten überfallen werden, während der Mond über finsteren Baumkronen steht – tiefdunkel, dramatisch, fast wie eine Vorwegnahme des romantischen Schauderns. Und ich? Nun, ich habe in dem gleichen Haus rund 200 Jahre später das Licht der Welt erblickt – allerdings ohne dramatische Lichtregie und ohne Schafherde.

Auch seine Freundschaften mit Goethe, Schiller und anderen Größen seiner Zeit waren für mich ein überraschendes Faktum: die Dichter, Philosophen und Denker ihrer Zeit erschienen in einem anderen Licht.

Ein bisschen Ehrfurcht macht sich da breit. Vielleicht hat das Haus ein Faible für eigensinnige Charaktere. Vielleicht liegt in seinen Mauern ein wenig kreativer Staub.

Oder vielleicht ist es einfach nur ein schöner Zufall – dass ein Mensch, der Kunst und Sprache liebte, genau dort zur Welt kam wie ich, der heute mit ähnlicher Leidenschaft nach Spuren, Geschichten und Bildern sucht.

Wer weiß – vielleicht schließt sich da ein Kreis, der zwei Jahrhunderte umfasst. Und auch wenn mein Geburtsjahr ein wenig moderner klingt
als 1749: Ich bin in guter Gesellschaft.