Ein schreckliches Kapitel der Geschichte: Als Verleumdung und Vorurteile das Leben bestimmten
Manchmal stößt man auf Texte aus der Vergangenheit, die einen erschaudern lassen, weil sie uns vor Augen führen, wie tief Vorurteile und Hass verwurzelt sein können. Heute möchte ich mit euch über ein solches Dokument sprechen, das die Abgründe des Antisemitismus im späten 19. Jahrhundert in Deutschland auf erschreckende Weise beleuchtet. Aus unserer heutigen Sicht, und auch aus meiner persönlichen Überzeugung, ist das, was hier geschah, einfach unbegreiflich und zutiefst verurteilenswert.
Ein „Ritualmord“: Die furchtbare Lüge
Der Text, den wir uns heute ansehen, trägt den Titel „Ein zwiefacher Rechtsirrtum.“ Er handelt von einer furchtbaren Anschuldigung, die damals gegen jüdische Menschen erhoben wurde: der des „Ritualmordes“. Im Grunde ging es darum, dass man Juden unterstellte, christliche Kinder für religiöse Rituale zu töten und ihr Blut zu verwenden. Das war eine üble Lüge, die schon seit Jahrhunderten kursierte und immer wieder benutzt wurde, um Hass gegen Juden zu schüren.
In diesem speziellen Fall ging es um einen Zeitungsartikel vom 6. Oktober 1895 im „Deutschen Generalanzeiger“, in dem der Redakteur Karl Sedlag behauptete, dass im Rahmen des „Juden-Gottes“ Menschen geschlachtet und ihr Blut getrunken worden sei. Er bezog sich dabei auf einen angeblichen Fall in Ungarn, wo ein fünfjähriges Mädchen verschwunden war. Sedlag nutzte dies als Vorwand, um die absurde und grausame Ritualmordlüge zu verbreiten.
Der mutige Kampf der Juden
Glücklicherweise gab es damals schon mutige Menschen, die sich gegen diese Verleumdungen wehrten. Der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ – eine Organisation, die sich für die Rechte der Juden einsetzte – erstattete Strafanzeige gegen Sedlag. Sie wollten nicht zulassen, dass solche Lügen ungestraft blieben und die jüdische Gemeinschaft weiter in den Dreck gezogen wurde.
Das Urteil: Ein Lichtblick mit Schattenseiten
Der Fall landete vor Gericht. Sedlag wurde wegen Gotteslästerung und Beschimpfung der jüdischen Religionsgesellschaft angeklagt. Das Gericht entschied, dass es nicht nötig sei, die „Tatsachen“ des Ritualmordes zu überprüfen, da die Gotteslästerung ohnehin ausreichend sei. Es wurde also nicht direkt gesagt, dass der Ritualmord eine Lüge ist, sondern nur, dass die Beschimpfung der Religion strafbar ist.
Später hob das Reichsgericht (das höchste Gericht) das Urteil teilweise auf. Es argumentierte, dass die Beschimpfung in der äußeren Form nicht ausreichend festgestellt wurde und dass die Gelehrten über den Ritualmord uneinig seien. Das ist aus heutiger Sicht kaum zu glauben! Dass es überhaupt eine Diskussion darüber gab, ob diese furchtbaren Anschuldigungen wahr sein könnten, zeigt, wie tief der Antisemitismus in der Gesellschaft verankert war.
Der „Central-Verein“ sah diese Entscheidung als einen „zweifachen Rechtsirrtum“ an. Zum einen, weil die Beschimpfung in der äußeren Form nicht ausreichend beachtet wurde, und zum anderen, weil die Richter den „subjektiven Standpunkt des Beschimpfenden“ als maßgebend ansahen, statt den Beleidigten zu schützen.
Was können wir daraus lernen?
Dieser Fall ist ein trauriges Beispiel dafür, wie Verleumdungen und Vorurteile sich in einer Gesellschaft festsetzen können und wie schwer es ist, sie zu bekämpfen. Der „Central-Verein“ betonte immer wieder, dass es nicht um politische Streitigkeiten gehe, sondern um die Gewährleistung der Gleichberechtigung aller Bürger. Sie wollten, dass die jüdische Bevölkerung nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität als gleichberechtigt angesehen wird.
Es ist erschreckend zu sehen, wie hartnäckig sich solche Lügen halten und wie sie von Ungebildeten oder Böswilligen genutzt werden können, um Hass zu schüren. Das Ziel des Central-Vereins war es, mit solchen Entscheidungen ein klares Zeichen zu setzen und die Gefahr zu beseitigen, dass Menschen solchen Lügen Glauben schenken und unsere Religion und Moral danach beurteilen könnten.
Aus heutiger Sicht ist es absolut klar: Die Ritualmordlüge war und ist eine abscheuliche Erfindung, um jüdische Menschen zu diskriminieren und zu verfolgen. Es ist unsere Verantwortung, aus solchen dunklen Kapiteln der Geschichte zu lernen und uns immer und überall gegen jede Form von Hass, Verleumdung und Diskriminierung einzusetzen. Nur so können wir sicherstellen, dass sich solche Schrecken niemals wiederholen.