Im öffentlichen Diskurs wird das Deutsche Kaiserreich und Kaiser Wilhelm II oft einseitig und negativ beurteilt. Eine nüchterne, faktenbasierte Betrachtung seiner Regierungszeit offenbart jedoch, dass das Deutsche Reich vor dem Ersten Weltkrieg in vielen zentralen ökonomischen Kennzahlen führend war – gerade im Vergleich mit den anderen europäischen Großmächten jener Epoche.

Deutschlands ökonomische Spitzenstellung 1913

Das Deutsche Reich erzielte 1913 das höchste Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter den betrachteten Staaten: 48,5 Milliarden Mark. Es lag auch bei der industriellen Wertschöpfung an der Spitze und übertraf Nationen wie Großbritannien, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Russland deutlich. Besonders eindrucksvoll war das BIP pro Kopf: Mit 1.948 Mark lag Deutschland deutlich vor seinen mitteleuropäischen und südeuropäischen Konkurrenten.

StaatBIP 1913 (Mark)BIP pro Kopf (Mark)Arbeitslosenquote (%)
Deutsches Reich48.500 Mio.1.9482,6–3,1
Großbritannien44.946 Mio.1.468ca. 4,5
Frankreich36.207 Mio.1.220ca. 4,0–5,0*
Italien16.200 Mio.1.116ca. 5,0–6,0*
Österreich-Ungarnca. 26.000 Mio.**~900< 6,0*
Russland42.000 Mio.ca. 630< 8,0*

* Die Arbeitslosenquoten in Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn und Russland beruhen auf Schätzungen, da dort keine flächendeckende staatliche Arbeitslosenversicherung vorlag und die Situation kaum statistisch erfasst wurde.

** Kronen; grobe Umrechnung nach damaligem Kurs – Schwankungen möglich.

Arbeitslosenversicherung im internationalen Kontext

Deutschland führte bereits im späten 19. Jahrhundert über Sozialgesetze wie die Bismarck’sche Sozialversicherung eine systematische Arbeitslosen- und Erwerbssicherung ein. Die Arbeitslosigkeit war im Kaiserreich mit rund 2,6 bis 3,1 Prozent nicht nur sehr niedrig, sondern sie wurde auch statistisch zuverlässig erfasst und mit staatlichen Hilfen flankiert.

In Frankreich bestand vor dem Ersten Weltkrieg keine staatlich organisierte Arbeitslosenversicherung. Arbeiter waren meist auf Selbsthilfevereine („Mutuelles“) angewiesen; staatliche Unterstützung im Fall der Arbeitslosigkeit gab es kaum oder gar nicht. Ein verpflichtendes Sozialversicherungssystem entstand dort erst Jahrzehnte später. In Großbritannien existierte zwar eine Arbeitslosenversicherung ab 1911 („National Insurance Act“), doch war diese noch nicht flächendeckend und deckte nur Teile der arbeitenden Bevölkerung ab.

In Italien, Österreich-Ungarn und Russland sind vergleichbare Systeme praktisch nicht vorhanden oder nur in Ansätzen etabliert – die Quoten sind deshalb schwer zu beziffern, die Risiken für Arbeitnehmer aber nachweislich höher als im Deutschen Reich.

Struktur und Entwicklung der Volkswirtschaften

  • Das Deutsche Reich war Exportweltmeister im Bereich Chemie, Pharmazeutika und Maschinenbau und war das innovationsstärkste Land auf dem Kontinent.
  • Die Infrastruktur, besonders das Eisenbahnnetz und die Industrieproduktion, wuchsen dynamisch wie nirgendwo sonst in Europa.
  • Frankreich, Italien und Österreich-Ungarn standen im strukturellen und infrastrukturellen Vergleich teils deutlich zurück; gerade im Süden Italiens und in Ungarn überwog die Agrarwirtschaft.
  • Russland blieb trotz seiner Größe wirtschaftlich und technologisch stark hinter den westeuropäischen Konkurrenten zurück.

Fazit: Der Mythos vom „Krisenstaat“ im Vergleich

Wer das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II allein als „krisenhaften“ oder rückständigen Staat abtut, verkennt die historische Realität. Ende 1913 stand Deutschland wirtschaftlich mindestens auf Augenhöhe mit Großbritannien, anderen führenden Staaten sogar klar überlegen – sowohl im BIP und pro Kopf, als auch bei der geregelten Absicherung gegen Arbeitslosenrisiken. Die Darstellung als rein negativer Regent ist daher nicht haltbar; gerade im internationalen Vergleich zeigt sich die erstaunliche Leistungsfähigkeit und die soziale Modernität des Kaiserreichs.


Quellen
  • Bundeszentrale für politische Bildung, Historische Statistik Deutschlands
    • ​https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/4938_zb_dtindaten_gesamt.pdf
  • Statista: Wertschöpfung, BIP und Pro-Kopf-Daten
    • ​https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250066/umfrage/bip-pro-kopf-in-ausgewaehlten-laendern-weltweit/
  • Wikipedia: Arbeitslosigkeit, Sozialversicherung, Volkswirtschaften Europas
    • ​https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosigkeit
  • Gewerkschaftsgeschichte.de: soziale Absicherung und Arbeitsmarkt im 19. Jahrhundert
    • ​https://www.bpb.de/themen/europa/frankreich/152672/das-franzoesische-sozialsystem/
  • Wissenschaftliche Aufstellungen und historische Wechselkurse (u.a. Angus Maddison, Wirtschaftsdienst)
    • ​https://www.geschichtsforum.de/thema/deutsche-wirtschaft-um-1910-so-stark.47810/

Ergänzend für irgendwelche engstirnig denkenden Personen: Nein, ich bin kein Reichsbürger und wünsche mir weder eine Monarchie noch das „Deutsche Reich“ zurück.
Mein Ziel ist es, sachlich zu bleiben und einen anderen Blickwinkel zu schaffen, der zum Nachdenken anregt.
Wenn Kriege ökonomische Gründe haben, prinzipiell, warum hätte Kaiser Wilhelm II den 1.Weltkrieg gewollt?