Die Bilder auf alten Karten und in Geschichtsbüchern erzählen oft von großen Umwälzungen. Eine solche Karte, die ich kürzlich sah, zeigte die Bewegung von Millionen von Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg: die Vertreibung von Deutschen aus ihren Heimatregionen in Ost- und Mitteleuropa. Die Zahlen, die dort verzeichnet sind – Millionen aus Ostpreußen, Schlesien, dem Sudetenland und anderen Gebieten – sind schockierend. Es sind Zahlen, die für unsagbares Leid stehen.
Für mich ist ganz klar: Diese Vertreibungen waren ein Verbrechen. Sie waren ein massiver Bruch des Völkerrechts, der humanitäres Leid in einem unvorstellbaren Ausmaß verursachte. Menschen wurden von Haus und Hof vertrieben, verloren ihre gesamte Existenz, ihre kulturellen Wurzeln und oft auch Familienmitglieder. Ganze Gemeinschaften wurden auseinandergerissen.
Es ist jedoch entscheidend, an dieser Stelle eine ganz wichtige Unterscheidung zu treffen: Die Verantwortung für dieses Verbrechen liegt nicht bei den Millionen von Menschen, die vertrieben wurden. Sie waren die Opfer. Die Schuld für die Vertreibung liegt einzig und allein bei dem verbrecherischen Regime, das von Adolf Hitler geführt wurde.
Das nationalsozialistische Deutschland entfesselte einen beispiellosen Vernichtungskrieg; das die Frage der Schuld an diesem Krieg eine andere ist, sollte nicht das Thema sein.
Es überfiel Nachbarländer, beging systematische Gräueltaten, plante und führte den Holocaust durch und verursachte unermessliches Leid in ganz Europa. Es war die rassistische Ideologie, die aggressive Expansionspolitik und die brutale Kriegsführung dieses Regimes, die den Boden für die späteren Vertreibungen bereitete.
Die Vertreibungen waren eine direkte Folge des Krieges und der Taten der Nationalsozialisten. Sie waren eine grausame Konsequenz der Zerstörung, die das Hitler-Regime über Europa gebracht hatte.
Die Vertriebenen waren unschuldige Zivilisten, die für die Verbrechen eines Regimes bestraft wurden, das sie oft selbst nicht gewählt oder unterstützt hatten. Es ist eine Tragödie, dass sie für die Sünden anderer büßen mussten. Ihre Geschichten von Verlust und Neubeginn sind ein wichtiger Teil der deutschen und europäischen Geschichte und verdienen unser aufrichtiges Mitgefühl und Respekt.

Gesamtschätzungen aus historischen Quellen:
Historiker schätzen, dass insgesamt zwischen 12 und 14 Millionen Deutsche von Flucht und Vertreibung betroffen waren. Diese Zahlen umfassen sowohl die Flucht vor der Roten Armee ab 1944 als auch die systematischen Vertreibungen, die bis etwa 1950 stattfanden.
- Die größten Gruppen kamen aus Schlesien (ca. 3,3 bis 3,7 Millionen), dem Sudetenland (Tschechoslowakei) (ca. 2,9 bis 3,3 Millionen) und Ostpreußen (ca. 2 bis 2,3 Millionen).
- Die restlichen Millionen verteilen sich auf Pommern, Brandenburg, die ehemaligen deutschen Ostgebiete, sowie deutsche Minderheiten aus anderen ost- und südosteuropäischen Ländern (wie Polen außerhalb der ehem. deutschen Ostgebiete, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien).